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Quellenvertrauen in Qualitätsmedien

Gatekeeping für die werbungtreibende Industrie.

Von PD Dr. habil. Tino G. K. Meitz

Die demokratietheoretische Leistungsbeschrei­bung des Journalismus in unserem Mediensystem, die „vierte Gewalt im Staat“, hat Federn gelassen. Von Protagonisten am linken wie rechten Rand unserer Gesellschaft genüsslich als „System­medien“ oder als Produzenten von „Fake-News“ charakterisiert, bieten journalistische Kommu­nikationsangebote immer wieder Steilvorlagen für eine vermeintliche Vertrauens-Erosion in die Berichterstattung.

Mitnichten ist die Infragestellung der Glaubwürdigkeit von und das Misstrauen in Medien ein Phänomen der digitalen Neuzeit. Spätestens seit den 1950er Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft explizit mit der Glaubwürdigkeit von Kommunikatoren. In den 1960er Jahren erweiterte sich die Perspektive auf dieses Quellenvertrauen von der engen Zentrierung auf einzelne Kommunikatoren hin zu einem Vertrauen in Medien an sich (Media Credibility). Die frühen Forschungsergebnisse zu Vertrauen in Medien sind dabei stark durch die Rahmenbedingungen der Massenmedien des 20. Jahrhunderts geprägt. Konnten bis in die 1980er Jahre teils starke Vertrauens-Effekte insbesondere für klassische Printmedien nachgewiesen werden, so ist dieser Vertrauensvorteil seit den 1990er Jahren durch die zunehmende Präsenz und Nutzung von Online-Medienangeboten in Frage gestellt worden.

Vor allem vor dem Hintergrund der Verwendung von Medien als Werbeträger und der Verlockung geringerer Werbekosten in digitalen Medienumgebungen hat das Quellenvertrauen in der Werbewirkungsforschung eine Renaissance erfahren, da nicht nur die Erreichung von Zielgruppen, sondern die Kontaktqualität und damit Unterschiede in der Wahrnehmung und Bewertung von Werbung durch die inhaltlichen Umfelder der Werbung zunehmend an Interesse gewinnen.

Auf einen ersten Blick scheinen insbesondere junge Zielgruppen zunehmend „Vertrauen“ synonym zu „Authentizität“ zu setzen. Influencerinnen und Influencer gewinnen unter Gesichtspunkten ihrer sozialen „Credibility“ an Einfluss im Werbemarkt, und ihr Zielpublikum scheint deren Meinungsführerschaft zu akzeptieren. Auf einen zweiten Blick muss man die Geltungsbereiche dieser Reputation jedoch massiv einschränken. Das Vertrauen in Influencerinnen und Influencer ist ein Vertrauen, das einer Inselbegabung gleicht: Es gilt für einen klar definierten Lebensbereich (Lidschatten) und für die soziale Nähe einer Peer-Group zu einem sozialen Rollenmodell. Das Vertrauen in ein Qualitätsmedium ist a priori eine Einstellung zur Leistungsfähigkeit einer Gattung, der einzelnen Medienmarke und der journalistischen Berufsrolle.

Für die Bewertung der Reputation medienvermittelter Kommunikation spielen folglich 1. die Reichweite des Vertrauens in eine Quelle sowie 2. der M­oment des Entstehens von Vertrauen in eine Informationsquelle eine wichtige Rolle. In einer Studie (Meitz et al., 2016) zur Wirksamkeit von Kampagnen zu gesundheitsförderlichem Verhalten konnt­en wir zum ersten Aspekt, der Reichweite des Vertrauens, deutlich nachweisen, dass eine junge Zielgruppe zwar soziale Medien überdurchschnitt­lich stark nutzt, aber die in einem Experiment eingebettete Gesundheitskampagne stark vor dem Hintergrund des medialen Umfeldes bewertet wurde. Die Kampagne wurde positiver bewertet, wenn sie in eine Online-Zeitungsseite eingebettet wurde. Blogs schnitten hier schlechter ab, und dem feed-basierten sozialen Medium wurde in Bezug auf das Thema mit Misstrauen begegnet.

Hier schließt sich nun der zweite Aspekt zur Erklärung dieser Ergebnisse an: der Moment des Entstehens des Vertrauens. In der Versuchsbedingung, die die Kampagne in einer Zeitungsumgebung darstellte, waren die abgefragten Werte der Vertrauenswürdigkeit bereits vor der Rezeption deutlich höher. Folglich hat die a priori attestierte Reputation eines Printmediums hier die Wirkung der Kampagne nachhaltig zu den Gunsten des Kampagnenziels verändert. Das Vertrauen in ein feedbasiertes Medium, das hier deutliche Nachteile zeigte, kann diesen Vertrauensvorsprung nicht aufbauen, da es in der Natur des Mediums liegt, Einschätzungen in die Vertrauenswürdigkeit nicht per se dem Medium zuzuschreiben, sondern die einzelnen Kommunikatoren, den einzelnen Post oder Tweet, aufgrund eines konkreten Beitrages zu bewerten.

Im Rahmen einer statistischen Analyse (Meitz, 2019) haben wir für unterschiedliche Mediengattungen den Reputationseffekt auf die Wahrnehmung und Bewertung werblicher Kommunikationsangebote analysiert. Nur klassische Medien, und hier insbesondere die Printprodukte, zeigen belastbare Effekte der Reputation auf die Werbewirkung. Insgesamt lassen sich in dieser Gattung alle gemessenen Werbewirkungen zu 30 Prozent alleinig durch die Reputation der genutzten Printmedien erklären. Für keine andere Gattung lassen sich überhaupt statistisch gültige Reputationseffekte feststellen! Plausibel erscheint diese mangelnde Gültigkeit der Effekte vor dem zuvor bereits dargestellten Umstand, dass die Einschätzung von Vertrauen etwa in sozialen Medien nicht a priori dem Medium, sondern im konkreten Prozess der Nutzung von Medieninhalten hergestellt werden muss. Damit ist die Reputation und ein von ihr ausgehender Effekt auf die Werbewirkung jedoch nicht planbar.

Der bisherige Forschungsstand zeigt deutlich den Einfluss der Qualität des Umfeldes, in welchem Werbung wahrgenommen wird. Allein auf der Grundlage dieses Wissens wäre eine schlicht auf günstige Reichweiten ausgerichtete Mediaplanung zumindest fahrlässig.

Quellen:
Meitz, T. G. K. (2019). The effectiveness of source information on advertising in different media contexts: A meta-analysis (Media Impact, Hrsg.). Axel Springer SE.
Meitz, T. G. K., Ort, A., Kalch, A., Zipfel, S., & Zurstiege, G. (2016). Source does matter: Contextual effects on online media-embedded health campaigns against childhood obesity. Computers in Human Behavior, 60, 565–574. dx.doi.org/10.1016/j.chb.2016.02.067

PD Dr. habil. Tino G. K. Meitz

Seit 2021 Managing Director von Schramm|Meitz &Partners. Promoviert und habilitiert in Kommunikationswissenschaft, Psychologie, Wirtschaftspolitik und Politik­wissenschaft, tätig unter anderem in Münster, Tübingen, Jena, Fribourg und Texas.