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Die F.A.Z. auf TikTok

Warum vertikales Storytelling so wichtig für Medienhäuser ist.

Von Aylin Güler

Ob Inflation, Corona oder Krieg: Über Krisen und Katastrophen wird längst nicht mehr nur in Zeitungen und dem Fernsehen berichtet. Nachrichten dominieren vor allem in den sozialen Netz­werken. Insbesondere die Kurzvideo-App TikTok verzeichnet immer mehr Accounts deutschsprachiger Medien. Weltweit nutzen seit 2017 inzwischen mehr als 1,7 Milliarden Menschen das Vi­deo­portal. Damit lässt TikTok seinen stärksten Wettbewerber Instagram immer weiter hinter sich. Kein soziales Netzwerk konnte die 1-Milliarde-Nutzermarke schneller erreichen: In nur fünf Jahren wurde dieser Meilenstein erreicht. 

Die Video-Plattform lebt vor allem von lustigen kurzen Musik-Clips, in denen getanzt, gekocht und gesungen wird. Mittlerweile gibt es für jede Nische und für jedes Interesse eigene TikTok-Kanäle. Häufig geht es aber auch darum, spontan auf Trends zu reagieren – ob es nun neue Tänze sind oder Koch-Tipps. Die Videos werden Nutzerinnen und Nutzern auf der sogenannten „For You“-Page vorgeschlagen. Der Reiz von TikTok liegt in seinem intelligenten Algorithmus: Schon nach kurzer Zeit lernt die App, was den Usern gefällt. Während der Fokus anfangs noch auf reinen Unterhaltungsinhalten lag, werden Themen aus Politik und Gesellschaft mittlerweile zunehmend beliebter. Mit einer Maximaldauer von zehn Minuten pro Video geht es vor allem um schnell zu konsumierende Inhalte. Videos mit einer Länge von bis zu 60 Sekunden sind dabei am erfolgreichsten. Im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken, wo eine hohe Reichweite nur mit vielen Followern zustande kommt, verbreiten sich TikTok-Videos auch von Accounts mit einer kleinen Reichweite – wenn sie kreativ und interessant sind. Das erleichtert den Einstieg, denn auch kleine Accounts können so viele Menschen erreichen.

Mit mehr als 50 Minuten täglich verbringen die Nutzerinnen und Nutzer im Durchschnitt mehr Zeit auf TikTok als auf allen anderen Social-Media-Kanälen. TikTok gewinnt also weiter rasant an Fahrt – und baut seinen Vorsprung zu bereits etablierten Social-Media-Plattformen wie Facebook immer weiter aus. Insbesondere bei der Generation Z ist die Kurzvideo-App beliebt. Doch TikTok wird älter: Während der Anfänge stellte die Altersgruppe der 13- bis 17-Jährigen die größte Gruppe dar; jetzt sind es vor allem die 18- bis 24-Jährigen, die die Inhalte der App konsumieren. Mittlerweile interessieren sich aber auch immer mehr Menschen über 30 Jahren für das soziale Netzwerk. Der Erfolg der Plattform zog zahlreiche Nachahmer nach sich: Instagram und YouTube ließen nicht lange auf sich warten und folgten mit kurzen Video-Formaten einem ähnlichen Prinzip.

Heute ist das Video-Hochformat nicht mehr wegzudenken. Besonders im Social-Media-Umfeld entwickelt es sich zum neuen Standard. Die Relevanz von vertikal ausgerichteten Inhalten wird deutlich, wenn man sich Untersuchungen von Facebook anschaut: Diese haben ergeben, dass wir unser Smartphone, mit dem wir inzwischen rund zwei Drittel unserer Online-Videos anschauen, im Schnitt 96 Prozent der Zeit hochkant halten.

Wer als Medienunternehmen Markenbekanntheit bei der jüngeren Zielgruppe schaffen möchte, ist deshalb mit seinem Unternehmensauftritt bei TikTok dicht an der Zielgruppe. Vor allem in den USA wird schon länger damit experimentiert: Die Washington Post hat mittlerweile 1,5 Millionen Follower und erreicht mit einem TikTok-Video durchschnittlich eine halbe Million Aufrufe.

Auch die F.A.Z. entschied sich für den strategischen Ausbau des vertikalen Storytellings und erweiterte im Juni 2022 ihr Social-Media-Angebot. Seitdem werden auf TikTok journalistische Inhalte für eine junge Zielgruppe angeboten. Damit geht die F.A.Z. einen wichtigen Schritt für mehr Sichtbarkeit bei einer jüngeren Zielgruppe. Mehrmals wöchentlich finden Nutzerinnen und Nutzer dort journalistische Inhalte zu nachrichtlichen Geschehnissen und Einordnungen, die zielgruppen­gerecht als ansprechende Kurzvideos aufbereitet werden. Aber: Die professionelle Betreuung eines solchen Kanals ist aufwendig. Die App verlangt nicht nur eine eigene Bildsprache und hochformatige Videos, sondern auch angepasste grafische Elemente. Die Zweitverwertung von Inhalten aus anderen Plattformen – etwa Instagram oder Facebook – gelingt dabei nicht immer, da etwa Posts für Instagram eine andere Ästhetik und Sprache haben.

Es braucht vor allem Geduld, guten Content und eine klare Strategie, um auf TikTok erfolgreich zu sein. Unser Ziel: Eine Beziehung zur jungen Nutzerschaft aufzubauen, sie zu pflegen und später für unsere Produkte zu begeistern. Das Fundament haben wir, nun gilt es, mit Ausdauer unsere Aktivitäten auszubauen.

Aylin Güler

Seit Juni 2022 zuständige Redakteurin für das Team „Vertical Storytelling“, seit November 2016 Redakteurin für Social Media und Community Management in der Online-Redaktion der F.A.Z., Studium in Tübingen, Los Angeles und Marburg.