Entscheidend sind immer mutige und innovative Unternehmer
Sachsen-Anhalt setzt als Aufsteigerland auch bundesweit Akzente. Wie dem Bundesland das gelingt, erklärt Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff im Interview.
Herr Dr. Haseloff, als Ministerpräsident tragen Sie die Verantwortung für ein Bundesland mit zukunftsstarker Wirtschaft. Welchen Beitrag hat die Politik dazu geleistet?
Dr. Reiner Haseloff: Als jemand, der in der DDR geboren wurde und Jahrzehnte gelebt hat, weiß ich sehr wohl, was Politik leisten kann und was sie besser nicht leisten sollte: Zu glauben, sie sitze an den Schalthebeln der Wirtschaft und müsse diese gestalten. Wir haben erlebt, wie Planwirtschaft endet. Daher möchte ich den Beitrag der Politik nicht überbewerten. Wir haben in Sachsen-Anhalt versucht, bestmögliche Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen. Das ist uns offenbar sehr gut gelungen und das Ansiedlungsgeschehen und die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Jahre sind eine Bestätigung dafür. Entscheidend sind jedoch immer innovative und mutige Unternehmer. Die haben wir zum Glück bei uns zahlreich.
Sachsen-Anhalt gilt als Vorbild in Sachen Strukturwandel. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wir haben bereits nach der Deutschen Einheit Erfahrungen mit dem Strukturwandel sammeln können, z. B. in der Chemischen Industrie, die viele damals totgesagt hatten. Dann haben wir das Chemieparkmodell entwickelt, das heute auch andernorts kopiert wird, haben umfassend modernisiert und sind heute wieder Spitze im Bereich der Chemie. Diese Erfahrung nutzen wir auch für den Strukturwandel in der Kohleregion. Wir haben frühzeitig Verwaltungen, Unternehmen und vor allem die Menschen in der Region mitgenommen, z. B. durch Beteiligungsformate wie den Wettbewerb Revierpionier, der nun in seine zweite Runde gestartet ist. Wir haben gegenüber dem Bund Akzente gesetzt und gesagt, was geht und was nicht. Und wir haben den Strukturwandel zur Chefsache gemacht, mit einer Stabsstelle in der Staatskanzlei und einem eigens dafür zuständigen erfahrenen Staatssekretär an der Spitze.
Stichwort Transformation: Wie schafft Sachsen-Anhalt den Weg zu einer klimafreundlicheren Industrie?
Hier gibt es sehr viele Felder, auf denen wir aktiv sind. Wir gehören in Deutschland nicht nur zur Spitzengruppe bei der Erzeugung regenerativer Energien, bei uns werden auch wichtige Komponenten im Bereich Windenergie, Photovoltaik und Batteriespeicher produziert. Darüber hinaus wird eifrig geforscht. Sachsen-Anhalt bekommt beispielsweise einen Standort des CTC, dessen Forschungsschwerpunkt die auf einer Kreislaufwirtschaft basierende Chemieindustrie der Zukunft ist. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt baut in Leuna eine Pilotanlage zur Erzeugung von E-Fuels, sogenannter strombasierter Kraftstoffe, und im Bereich der Produktion von grünem Wasserstoff sind wir auch am Start.
Wenn Sie einem Investor Ihr Bundesland mit drei Sätzen als Top-Standort beschreiben sollten, welche wären das?
Sachsen-Anhalt ist ein aufstrebender Wirtschaftsstandort im Herzen Deutschlands und Europas. Wir verfügen über eine leistungsfähige und moderne Infrastruktur und über motivierte, gut ausgebildete Fachkräfte sowie eine hervorragende Investorenbetreuung mit zügig arbeitenden Verwaltungen. Dazu gibt es weiche Standortfaktoren wie eine reiche Kulturlandschaft und eine vorzügliche Kinderbetreuung.
Sachsen-Anhalt möchte als Aufsteigerland Veränderungsimpulse in die gesamte Republik geben. Wie gestaltet sich das konkret?
Wir sind nicht so vermessen, andere belehren zu wollen. Aber wir wollen schon Akzente setzen und mit gutem Beispiel vorangehen. So sind wir z. B. hinsichtlich der aus regenerativen Energien pro Kopf produzierten Energiemenge beim Windstrom auf Platz Zwei in Deutschland, bei der Solarenergie die Nummer Drei. Das wissen auch Investoren wie Intel zu schätzen. In Sachsen-Anhalt sind wir zudem Innovationen wie Investoren gegenüber sehr aufgeschlossen. So hat Pat Gelsinger gesagt, er habe hier den Biss gespürt, eine Investition wie die von Intel auch wirklich bekommen zu wollen. Die ersten Jahre nach der Deutschen Einheit waren für uns sehr schwer. Wir wissen, dass Erfolg hart erarbeitet werden muss. Vielleicht ist dieses Wissen in anderen Regionen Deutschlands zuletzt ein wenig in den Hintergrund getreten.
In der Kommunikation für Sachsen-Anhalt setzt das Landesmarketing u. a. auch auf Qualitätsmedien wie Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung oder andere Zeitungen und Zeitschriften. Spielt dabei auch die Verantwortung der freien Presse eine wichtige Rolle?
Gerade aus der DDR-Vergangenheit weiß ich, wie wichtig eine freie Presse ist. Sie darf nicht nur wie damals Verlautbarungsorgan der Regierenden sein, sondern muss den Finger in die Wunde legen und unangenehme Wahrheiten aussprechen. Sie muss darüber hinaus Fakten prüfen und insbesondere im Digitalzeitalter manchen Fake News trotzen und den Menschen im Land eine verlässliche Informationsquelle sein. Daher sind Qualitätsmedien auch heute unverzichtbar.
Seit April 2011 Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.