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Das Medium der Verantwortungsvollen

Die F.A.Z. setzt sich seit 75 Jahren für Demokratie ein. Das ist heute noch genauso wichtig wie damals.

Von Gerald Braunberger

Verantwortliches Handeln bildet eine unabdingbare Voraussetzung für das Gedeihen einer freiheitlichen Ordnung und einer offenen Gesellschaft, die im Diskurs nach den besten Lösungen sucht. Von dieser Überzeugung wird die Frankfurter Allgemeine Zeitung seit ihrer Gründung im Jahre 1949 geleitet. Sie tritt seit nahezu einem Dreivierteljahrhundert unbeirrt für die parlamentarische Demokratie als Staatsform und für die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein. „Wir möchten in einer Zeit, in der die Freiheit keineswegs allein durch die Diktatoren, sondern ebenso durch Vermassung, durch Trägheit und Unduldsamkeit bedroht ist, das lebendige Gefühl für dieses kostbarste aller irdischen Güter entfachen. Das gilt für die einzelnen Menschen wie für unser Land“, hieß es im Aufmacher der ersten Ausgabe der F.A.Z. vom 1. November 1949. Übernahme von Verantwortung für das Gemeinwesen empfanden schon die Gründer­väter der F.A.Z. „Deutschland hat keinen Außenminister“, schrieben sie in jenem ersten Aufmacher. „Seine Stimme dringt nur schwach nach draußen. Hier möchte dieses Blatt einsetzen; es will eine Stimme Deutschlands in der Welt sein.“

Dieses Verständnis von Verantwortung hatte bereits das Handeln der Frankfurter Zeitung geprägt, der im Frankfurter Societäts-Verlag in den Jahren 1856 bis 1943 erschienenen Vorläuferin der F.A.Z. Unter ihrem Schöpfer Leopold Sonne­mann hatte sie sich im Kaiserreich in liberalem Geist für die Demokratie eingesetzt und publizistisch entschieden eine Gegenposition zu dem von Militär, Großindustrie und Agrarwirtschaft geprägten Preußen Otto von Bismarcks eingenommen. Für diese Form unbotmäßiger „Majestätsbeleidigung“ gingen Redakteure immer wieder vorübergehend ins Gefängnis. Alles andere als beliebt machte sich die Frankfurter Zeitung auch unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, als sie nach einem schweren internen Ringen für die Annahme des Vertrags von Versailles plädierte. Die Zeitung lehnte den Vertrag entschieden ab, aber ihr Verantwortungsgefühl riet ihr von einer Ablehnung des Vertrags ab, weil sie die Besetzung Deutschlands durch die Siegermächte und eine Zerschlagung des Landes befürchtete. Für diese Position wurde die Zeitung über Jahre erheblich angefeindet.

Verantwortlich zu denken und zu handeln heißt eben auch: sich gelegentlich unbeliebt zu machen bei jenen, die meinen, auf schwierige Fragen ließen sich stets einfache und bequeme Antworten finden. Dieses Verständnis von Verantwortung brachten ehemalige Mitarbeiter der Frankfurter Zeitung nach dem Zweiten Weltkrieg in die F.A.Z. ein. Die publizistische Unabhängigkeit der F.A.Z. schuf hierfür eine wichtige Voraussetzung.

Die Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft hatten aus den Jahrzehnten vor dem Zweiten Weltkrieg die Erkenntnis mitgenommen, dass die Bildung wirtschaftlicher Macht einem Gemeinwesen schadet, weil wirtschaftliche Macht versuchen kann, in Zusammenarbeit mit der Politik Partikular­in­te­res­sen zu Lasten der Allgemeinheit durchzusetzen. Daher engagierte sich die F.A.Z. während der Fünfzi­ger­jahre zugunsten eines Kartellgesetzes, das die Bildung wirtschaftlicher Macht in der jungen Bundes­republik erschwert. Damit geriet die Zeitung in einen schweren Konflikt mit der vom Bundesverband der deutschen Industrie vertretenen Großindustrie, die wie Peter Hoeres in seinem Buch über die F.A.Z. („Zeitung für Deutschland“) schreibt, „kaum verhohlen mit Anzeigen­abzug drohte“. Als im Jahre 1957 das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verabschiedet wurde, sah die Zeitung ihre Position bestätigt.

Auch in unserer durch hohe Unsicherheit und tiefe Verunsicherung geprägten Zeit bleibt verantwortliches Handeln unabdingbar. Deutschland sieht sich scheinbar unversehens mit erheblichen politi­schen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen He­raus­forderungen im Inneren wie im Äußeren konfrontiert. Die Welt wird rauer, die Herausforderungen werden größer. Gerade in diesen Zeiten bedarf es zahlreicher und wichtiger Stimmen, die für die Demokratie, die freie und offene Gesellschaft sowie die Soziale Marktwirtschaft eintreten und sich gegen die Kräfte der Finsternis – die Kräfte des Hasses, der Unfreiheit, des Konflikts und der Intoleranz – entschieden wenden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist sich auch heute ihrer Verantwortung bewusst.

Gerald Braunberger

Seit 2019 Herausgeber der F.A.Z. Zuvor unter anderem Korrespondent in Paris und Ressortleiter Finanzen.