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Aus der Mode

Viele Lifestyle-Magazine betreiben Greenwashing. Dabei gäbe es einfache Methoden, klimafreundlicher zu arbeiten.

Von Alfons Kaiser

Wie denkt die Modeszene über Nachhaltigkeit? Ein deutscher Moderedakteur sagt auf die Frage, ob er nicht mal auf einen Flug nach New York verzichten könne: „Waaas? Da muss ich einmal im Monat hin.“ Andere Redakteure haben kein Problem damit, per Flugzeug nach Los Angeles zu reisen, um mit Arnold Schwarzenegger über Umweltverschmutzung und Klimawandel zu philosophieren. Fast 10.000 Kilometer Flug. CO2-Ausstoß: 1,5 Tonnen hin, 1,5 Tonnen zurück, pro Person. Kann man machen. Aber muss man das noch?

Die Modebranche, die sich gern so fortschrittlich gibt, hat in Sachen Nachhaltigkeit Nachholbedarf. Was könnte es schon Wichtigeres geben, so denkt man offenbar, als die neue Bademode am Strand in Südafrika abzubilden, wo im Winter bekanntlich der Sommer herrscht? Und was ist gegen einen Ge­meinschaftsflug einer Modemarke mit Journalis­ten und Mitarbeitern in den Mittleren Osten zu sagen, wo die Zwischenkollektion bei milden Abend­temperaturen auf dem Laufsteg präsentiert wird, so dass die Kleider im warmen Wüstenwind flattern?

Viel ist dagegen zu sagen. Und es wird Zeit, dass die Marken und Magazine, die sonst jedem Trend hinterherlaufen, auch diesen Trend erkennen, in dem es um Leben und Tod geht. Und das sind jetzt sogar nur die oberflächlichen Befunde. Denn das Mode-Marketing steht nur am Ende einer langen Kette von Herstellung, Transport und Verkauf. Beim Anbau der Baumwolle werden Pestizide eingesetzt, bei der Weiterverarbeitung der Textilien Chemi­kalien, und auch für den Transport aus den fernöstl­ichen Herstellerländern wird viel CO2 frei­gesetzt. Mal ganz abgesehen davon, dass in manchen Produktionsländern ungesunde Arbeitsbedingungen und miserable Löhne herrschen.

Auch am Ende der Textilkette sind Missstände zu beklagen. Die Wegwerfmentalität ist in der Überflussgesellschaft zur Routine geworfen. Je billiger, desto weniger Hemmungen hat man, ein Kleidungsstück in die Tonne zu hauen. Wiederverwertet wird nur ein geringer Anteil der Tex­tilien – denn durch die vielen Mischgewebe zum Beispiel in Stretchstoffen ist das schwierig.

Wie ist das moralische Dilemma zu lösen, mit dem eigenen Beruf den Klimawandel noch anzuheizen? Für Mode-Fans, für die der Überkonsum zur Gewohnheit wurde, ist da kaum eine Lösung in Sicht. Also versuchen sie, die neuen öko-ethischen Anforderungen zu erfüllen – und rutschen fast automatisch ins Greenwashing. Es ist unglaubl­ich, mit welcher Geschwindigkeit sich nun die Cover der Modemagazine mit Wörtern wie „nachhaltig“, „bio“ und „conscious“ schmücken. So waschen sie sich nicht nur selbst rein, sondern auch noch die beworbenen Modemarken, die sich in der Öffentlichkeit verantwortungsbewusster geben, als sie es in Wirklichkeit sind.

Denn nicht alles, was aus Bio-Baumwolle ist, ist auch zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle. Nicht alles, was zurückgegeben wird an alten Kleidungsstücken oder Schuhen, wird wiederverwertet, vieles wird einfach vernichtet. Und was natürlich ist, wie Bambus, wird oft genug mithilfe von Pestiziden angebaut und mit Chemikalien verarbeitet.

Da helfen nur drei Strategien. Erstens, auf Zertifikate und Siegel zu achten, wie den Global Organic Textile Standard (GOTS), Bluesign oder den „Grünen Knopf“. Zweitens, Fast Fashion als solche zu entlarven und nicht noch in redaktionellen Modestrecken als begehrenswert darzustellen. Drit­tens, ja, zum Konsum aufrufen, wenn’s teuer wird – denn teure Kleidungstücke oder Schuhe werden öfter getragen und nicht so leicht weggeworfen, auch weil sie oft klassisch sind, also nicht so leicht aus der Mode kommen.

Und, nicht zu vergessen: Man kann durchaus mal schauen, was man in der Redaktion noch so alles ändern kann. Auch wir vom F.A.Z.-Magazin produzieren Shootings in Los Angeles und New York. Aber eine unserer großen Modestrecken für das November-Heft 2021 über die Musikerin und Auto­rin Michelle Zauner haben wir in Brooklyn aufgenommen, wo sie wohnt. Die Stylistin und die Autorin saßen in Berlin, wo sie wohnen. Und siehe da: Selbst über Teams und Zoom kann man Mode-Shootings organisieren. Man muss wirklich nicht einmal im Monat nach New York fliegen.

Alfons Kaiser

Seit 1995 bei der F.A.Z., zunächst als Volontär, dann als Redakteur. Seit 2000 verantwortlich für das Ressort „Deutschland und die Welt“, seit 2013 auch für das F.A.Z.-Magazin. Am liebsten schreibt er über Mode.