Vertrauensanker für die Demokratie
Die Relevanz von Qualitätsmedien im gesellschaftlichen Diskurs.
Eine Demokratie und eine offene Gesellschaft können nicht existieren ohne verlässliche Informationsquellen. Die Demokratie ist darauf angewiesen, dass die Bürger sich ein fundiertes Urteil bilden können – über Zustand und Entwicklung ihres Landes, die Herausforderungen und Optionen, um diese Herausforderungen zu bewältigen, über die Positionen der verschiedenen Parteien und über gesellschaftliche Strömungen.
Der Bevölkerung ist bewusst, welche Bedeutung gute Informationen für die Demokratie und Gesellschaft haben. 91 Prozent sind überzeugt, dass hochwertige Medien und qualifizierter Journalismus für das Funktionieren einer Demokratie wichtig sind. 56 Prozent sehen darin sogar eine außerordentlich wichtige Voraussetzung. 88 Prozent messen guten und verlässlichen Informationsquellen auch für die gesellschaftliche Entwicklung große Bedeutung bei.
Das gilt umso mehr in Zeiten polarisierter öffentlicher Debatten, bei denen sich die verschiedenen Lager teilweise unversöhnlich gegenüberstehen und nicht mehr zu einem konstruktiven Diskurs finden. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hat den Eindruck, dass die Gesellschaft gespalten ist, und dies beunruhigt viele, insbesondere in Ostdeutschland. 40 Prozent der Bevölkerung fühlen sich durch die Unversöhnlichkeit mancher öffentlicher Debatten regelrecht bedroht. Zwei Drittel sehen in einer fortschreitenden Polarisierung eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie, da extreme Parteien an Zuspruch gewinnen, der Ton der Auseinandersetzungen aggressiver wird, Politiker wie Journalisten verstärkt mit Anfeindungen konfrontiert sind und viele Menschen sich in Echokammern zurückziehen, wo sie nur noch Bestätigung suchen, aber keinen Austausch mit Andersdenkenden.
Dabei zieht die Bevölkerung eine klare Trennlinie zwischen Informationsquellen, die Polarisierungstendenzen befördern, und anderen, die den Diskurs in der Gesellschaft über verschiedene Weltanschauungen und Positionen hinweg erhalten und stärken. So ist die überwältigende Mehrheit überzeugt, dass soziale Netzwerke, X, Influencer und Foren im Netz die Spaltung der Gesellschaft verstärken: 89 Prozent schreiben dies sozialen Netzwerken zu, 86 Prozent Influencern. Auch von den Mitgliedern sozialer Netzwerke, von denen sich die Mehrheit dort auch zumindest sporadisch über aktuelle Entwicklungen informiert, kritisieren viele, dass die Informationen oft unglaubwürdig sind und die Diskussionen unsachlich und aggressiv. Zwar hebt die Mehrheit auch hervor, dass die sozialen Netzwerke durchaus auch verschiedene Perspektiven und Bewertungen von Themen bieten, aber das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Informationen ist gering und hängt in beträchtlichem Maße davon ab, ob die Informationen und Bewertungen von etablierten Informationsangeboten und Medien stammen.
Es ist bemerkenswert, wie scharf die Rezipienten zwischen verschiedenen Informationsquellen differenzieren und welches Vertrauen den etablierten Medien entgegengebracht wird – trotz aller Bereitschaft zu pauschaler Medienkritik. Gefragt, welche Informationsquellen vertrauenswürdig sind, wo man beispielsweise zuverlässige Informationen über politische Entwicklungen erwarten kann, nennt die große Mehrheit der Bevölkerung sowohl die öffentlich-rechtlichen Medien wie die regionale und überregionale Tagespresse. Dabei gibt es allerdings ein erhebliches Vertrauensgefälle zwischen West und Ost. Dagegen hält nur jeder Achte in der Bevölkerung soziale Netzwerke für vertrauenswürdige Informationsquellen, jeder Neunte Blogs und Internetforen. Deutlich besser schneiden die digitalen Informationsangebote von Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendern ab. Die etablierten Qualitätsmedien sind in der heutigen unübersichtlichen Informationswelt ein Vertrauensanker, dessen Bedeutung kaum zu überschätzen ist.

Prof. Dr. Renate Köcher
Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach