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Transformation in der Medienlandschaft

Tragfähigkeit, Wertorientierung und die „Social Sustainability Chain“

Von Dr. Tino Meitz und Dr. Lisa-Charlotte Wolter

Die Medienlandschaft steht vor vielfältigen Herausforderungen. Die Gründe reichen vom Vertrauensverlust in „die“ Medien insgesamt und der Dominanz weniger Plattformen bis zu einer Fokussierung auf eine ausschließlich ökonomische Allokation von Werbebudgets. Rein kurzfristige Strategien bedrohen die langfristige Tragfähigkeit (Carrying Capacity) und die Vielfalt der Medienwelt und bedrohen gleichzeitig deren essenzielle Funktionen, wie Informationsvermittlung, Meinungsbildung und kulturelle Integration.

Die zunehmende Überlastung des Mediensystems erinnert an Szenarien aus Jared Diamonds Werk „Kollaps“ (2005), in denen Systeme scheitern, weil sie ihre Belastungsgrenzen ignorieren. Doch ein Kollaps ist sicherlich vermeidbar. Mit Ansätzen wie der Social Sustainability Chain, dem Konzept der Context-Based Sustainability (CBS) und einer resilienzorientierten Mediaplanung verknüpft das Research Center for Sustainable Media & Mar­keting (RCSMM) etablierte Konzepte unter unserem Ansatz des Value Media Managements für eine tragfähige und nachhaltige Zukunft. Indem Medienunternehmen auf solche integrativen und wertorientierten Strategien setzen, können sie nicht nur ihre eigene Resilienz stärken, sondern auch ihren Beitrag zu einer informierten und diskursfähigen Gesellschaft leisten.

Kernherausforderungen der Medienlandschaft
Zu den zentralen Herausforderungen, die das Mediensystem zunehmend belasten, gehören:

  1. Kollision der Wertschöpfungsketten
    Zwischen den Interessen von Werbetreibenden, Medienunternehmen und Plattformen bestehen Spannungen. Ein Beispiel hierfür ist die Diskrepanz zwischen Markenbotschaften und deren Verbreitungsplattformen: Während Marken wie Dove Tiktok nutzen, um Zielgruppen zu erreichen, thematisieren sie gleichzeitig die negativen Auswirkungen von Tiktoks „Bold Glamour Filter“ auf Jugendliche. Solche Widersprüche verdeutlichen die Notwendigkeit, Entscheidungen in Marketing und Media nachhaltiger und werteorientierter zu gestalten.
  2. Fehlende Transparenz
    In der gesamten „Wertschöpfungskette Werbung“ mangelt es an Transparenz – von der Produktion über die Distribution bis hin zu den sozialen und ökologischen Auswirkungen. Die Branche steht vor der Aufgabe, die sozialen und ethischen Implikationen von Entscheidungen entlang der Wertschöpfungskette sichtbar und bewertbar zu machen.
  3. Messbarkeit und Verantwortung
    Es fehlt an Metriken, die über ökonomische KPIs wie Reichweite hinausgehen und auch soziale, ethische und ökologische Faktoren berücksichtigen. Der Schutz vulnerabler Zielgruppen, insbesondere Jugendlicher, sowie der verantwortungsvolle Umgang mit Inhalten und Plattformen müssen Priorität erhalten.

Transformation statt Kollaps: Wie wir gemeinsam die Tragfähigkeit der Medienwelt sichern können.

Resilienz durch die Integration der „Social Sustainability Chain“

Die vom IU RCSMM entwickelte „Social Sustainability Chain“ adressiert diese Herausforderungen, indem sie nachhaltige Prinzipien in die gesamte Wertschöpfungskette der Mediaplanung integriert. Sie bietet eine Grundlage, um die Tragfähigkeit des Mediensystems zu stärken und langfristige Stabilität zu gewährleisten.

  1. Integrierte Resilienz
    Unternehmen müssen ihre Schwachstellen und Stärken genau verstehen, um resiliente Strategien zu entwickeln. Die „Social Sustainability Chain“ legt einen besonderen Fokus auf soziale Aspekte und die langfristige Stabilität von Medien und Werbeketten.
  2. Standards für soziale Nachhaltigkeit
    Das RCSMM arbeitet an gattungsübergreifenden Standards, die Unternehmen dabei unterstützen, soziale und ethische Verantwortung in die Mediaplanung einzubinden. Diese Standards machen die sozialen Auswirkungen von Allokationsentscheidungen messbar und bieten Leitlinien für verantwortungsbewusste Strategien.
  3. ESG-Transformation
    Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) fordern die Integration von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Für die Medienbranche bedeutet dies, dass Unternehmen soziale und ethische Verantwortung in ihre Entscheidungen einbinden müssen – von der Produktion über die Mediaplanung bis hin zur Werbewirkung.

Context-Based Sustainability: Nachhaltigkeit im Kontext der Medienwelt

Der Ansatz der Context-Based Sustainability (CBS) ergänzt die „Social Sustainability Chain“, indem er Nachhaltigkeit im spezifischen Kontext des Medien­systems operationalisiert. CBS hilft, die Belastungs­grenzen der Medienlandschaft zu erkennen und nachhaltige Ziele in Relation zu diesen Grenzen zu setzen. Anwendung von CBS in der Medienlandschaft:

  1. Kontextbasierte Ziele
    Nachhaltigkeitsstrategien sollten an den spezifischen Herausforderungen und Ressourcen der Medienlandschaft ausgerichtet sein, z. B. durch eine faire Allokation von Mediabudgets.
  2. Operationalisierung von Belastungsgrenzen
    CBS erlaubt es, die Tragfähigkeit der Medienwelt messbar zu machen und Strategien zu entwickeln, die diese Grenzen respektieren.
  3. Authentisches Nachhaltigkeits-Reporting
    Durch die Integration von CBS können Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte erstellen, die nicht nur allgemeine Ziele darstellen, sondern die tatsächlichen Bedingungen und Belastungsgrenzen des Mediensystems berücksichtigen.

Die Rolle des IU RCSMM: Transformation statt Kollaps

Das Research Center for Sustainable Media & Marketing (RCSMM) nimmt gemeinsam mit seinen Partnern eine führende Rolle ein, um die Resilienz und Tragfähigkeit der Medienwelt zu stärken. Es bietet wissenschaftliche Grundlagen und praxisorientierte Lösungen, um die Herausforderungen der Medienlandschaft zu bewältigen. Zentrale Aufgaben des RCSMM:

  1. Entwicklung von Standards
    Gattungsübergreifende Standards und Leitlinien, die ESG-Kriterien in die Mediaplanung integrieren und soziale Verantwortung operationalisierbar machen.
  2. Integration der „Social Sustainability Chain“
    Die Forschung des RCSMM legt einen klaren Fokus auf die Integration sozialer Aspekte entlang der „Wertschöpfungskette Werbung“, um langfristige Stabilität und Transparenz zu fördern.
  3. Internationale Perspektive
    Das RCSMM arbeitet mit globalen Partnern zusammen, um internationale Herausforderungen und Lösungen in der Medienwelt zu adressieren.
  4. Förderung von Resilienz
    Durch die Operationalisierung von CBS und die Entwicklung resilienzbasierter Ansätze unterstützt das RCSMM die Medienwelt dabei, ihre Belastungsgrenzen zu respektieren und sich langfristig stabil zu halten.

Fazit: Transformation durch Resilienz und Nachhaltigkeit

Die Medienwelt steht an einem Wendepunkt. Ein drohender Kollaps ist kein unausweichliches Schicksal, sondern ein Weckruf. Durch die Integration von Konzepten wie der Social Sustainability Chain, der Context-Based Sustainability und resilienzorientierter Mediaplanung erarbeitet das RCSMM einen Weg, wie Unternehmen, Agenturen und Plattformen eine tragfähige Zukunft gestalten können.

Die Verbindung von Transparenz, Resilienz und Nachhaltigkeit zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung keine Gegensätze sein müssen. Mit dem RCSMM können alle Stakeholder gemeinsam an der Transformation der Medienlandschaft arbeiten – für mehr Vielfalt, Stabilität und langfristigen Wert. Transformation statt Kollaps ist die entscheidende Botschaft für die Zukunft der Medienwelt.

Resilienz durch nachhaltige Wertschöpfung: Wie Value Media die Medienlandschaft stärkt.

Management Summary

Medienlandschaft in der Krise: Vertrauensverlust, Plattformdominanz und kurzfristige Profitstrategien bedrohen Vielfalt und Stabilität – nachhaltige Lösungen sind nötig.

Nachhaltige und wertbewusste Mediaplanung: Marken müssen Verantwortung übernehmen und Mediaplanung an transparenten Nachhaltigkeitskriterien ausrichten.

Mehr Transparenz und neue Messgrößen: KPIs sollten über Reichweite hinaus soziale, gouvernementale und ökologische Allokationsentscheidungen messbar machen.

Social Sustainability Chain als Zukunftsmodell: Resilienzorientierte Mediaplanung stärkt die Stabilität des Mediensystems und fördert eine informierte Gesellschaft.

Transformation statt Kollaps: ESG-Standards und Context-Based Sustainability sichern langfristige Stabilität und wirtschaftlichen Erfolg.

Weitere Informationen

Ist Wissenschaftler, Unternehmensberater sowie Hochschullehrer an der Universität Münster und Gründungsmitglied des Forschungsteams des IU Research Centers for Sustainable Media & Marketing.

Ist Studiengangsleiterin Online Marketing und Customer Centricity an der IU International University of Applied Sciences und leitet das Research Center for Sustainable Media & Marketing (RCSMM). Ihre weiteren Forschungsschwerpunkte sind Media- und Consumer Engagement Prozesse und damit verbundene Zusammenhänge von Werten, Emotionen und Vertrauen.

Value Media: Der gesellschaftliche Wert von Medien

Verantwortungsbewusste Mediaplanung stellt heute im Rahmen der Anforderungen durch die Nachhaltigkeitstransformation hohe Ansprüche an die Medien- und Werbeindustrie. Infolgedessen wächst der Bedarf an transparenten Rahmenbedingungen und Standards in der Medien- und Kommunikationsbranche, die ihren gesellschaftlichen Wert abbilden. Nur so lassen sich verantwortungsvolle Entscheidungen in der Mediaplanung messbar machen und unterstützen. Im Idealfall sind solche „Value Media“-Standards wissenschaftlich fundiert. Genau daran arbeitet das Research Center for Sustainable Media & Marketing (RCSMM)

Ziel des Projektes ist die Entwicklung von Guidelines und Standards für eine nachhaltigere Medien- und Werbeindustrie mit einem Fokus auf den verantwortungsvollen Umgang mit Medien. Dafür arbeitet die IU International University of Applied Sciences zusammen mit dem Consortium on Trust in Media and Technology (University of Florida) sowie Praxispartnern in Medien, Marketing und Kommuni­kation. In ihrem Artikel für REPUBLIC MEDIA geben Prof. Dr. Lisa-Charlotte Wolter und PD Dr. habil. Tino G. K. Meitz spannende Einblicke in die Arbeit des RCSMM.