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In ist, was drin ist

Warum Stil leben, Kochquartett, Getränkemarkt, Hotel Europa & Co. so beliebt sind.

Von Timm Klotzek

Beim SZ-Magazin geht es manchmal etwas anders zu als in anderen Redaktionen – zum Beispiel freuen wir uns, wenn wir von Leserinnen und Lesern beschimpft werden, naja, zumindest ein bisschen und manchmal. Zwei Beispiele sind mir da in lebhafter Erinnerung: Neulich zum Beispiel schrieb mir eine empörte Leserin, dass sie wegen des SZ-Magazins viel zu spät zu einem wichtigen Termin gekommen sei und dass sie sich wegen unseres journalistischen Angebotes dann leider sehr viel Ärger eingehandelt habe, und das wolle sie mir jetzt einfach mal mitteilen. Es stellte sich heraus, dass die Dame die gedruckte Ausgabe des SZ-Magazins mit in die U-Bahn genommen hatte und von einer langen Geschichte im Heft so fasziniert war, dass sie zwei Stationen zu spät ausgestiegen ist. So geht es manchmal zu, wenn man das SZ-Magazin liest, man weiß vorher noch gar nicht, für was man sich dann mit tiefer Hingabe interessiert, ohne vorher jemals geahnt zu haben, dass dem so sein wird.

Das ist wahrscheinlich das Erfolgsgeheimnis dieses Magazins, dass man bei den großen Geschichten nie ahnen kann, was einen erwartet – mal sind es aufwendige Reportagen, mal große Interviews mit bekannten Persönlichkeiten, mal sind es Mode­strecken oder persönliche Essays. Und gerade weil man nie genau weiß, wovon die großen Stücke im SZ-Magazin handeln, ist es der Redaktion besonders wichtig, auch verlässliche Klein-Rubriken zu haben, auf die man sich jede Woche aufs Neue freuen kann: die Foto-Doppelseite „Sagen Sie jetzt nichts“ recht weit vorne im Heft, auf der letzten Seite die persönliche Weltsicht von Axel Hacke, dazu die Getränke-Kolumne, die vier Autorinnen und Autoren im Wechsel bestreiten, und der wöchentliche redaktionelle Reise-Tipp „Hotel Europa“.

Diese kleinen Rubriken werden Woche für Woche mit viel Liebe gefüllt, weil wir genau wissen, dass bei einer Gesamtleserschaft von 1,26 Millionen Menschen hunderttausende von Leserinnen und Lesern sehr genau auf jede dieser kleinen Rubriken schauen und sich sehr auf das SZ-Magazin verlassen – so wie auf einen guten Freund oder zumindest eine anerkannte Expertin, die einem Tipps für das eigene Leben gibt. Und so ist es auch mit der kulinarischen Rubrik „Kochquartett“, in der vier namhafte Köchinnen und Köche Woche für Woche ganz besondere Rezeptideen mit der Leserschaft des SZ-Magazins teilen. Vor einiger Zeit war ich auf dem Viktualienmarkt in München einkaufen und ging zu einem Stand, den ich besonders mag, dort werden Kartoffeln verkauft, ein riesengroßes Sortiment, aber nicht besonders viele davon violett. Vor dem Stand eine lange Schlange von Menschen in Kauflaune, die einer nach dem anderen nach violetten Kartoffeln fragten, und der Verkäufer beschwerte sich immer wieder aufs neue, stets lauthals und unwirsch, dass am Tag vorher im SZ-Magazin ein Rezept empfohlen wurde, für das man violette Kartoffeln braucht. Er sei seit dem frühen Morgen ausverkauft und wenn jemand aus der Redaktion sich blicken ließe, dann würde er dieser Person was husten, man hätte ihn ja wohl mal vorwarnen können. Ich habe mich nicht getraut, mich als SZ-Magazin-Mitarbeiter, gar als Chefredakteur zu erkennen zu geben – und ich habe wieder mal gemerkt, welche große Wirkung dieses Magazin hat. Und wie sehr uns die Leserinnen und Leser vertrauen – und dafür, ganz ehrlich, kann man sich auch mal beschimpfen lassen. Den Kartoffel-Händler werde ich das nächste Mal informieren, wenn wieder seltene Erdäpfel im SZ-Magazin auftauchen, versprochen. Der Leserin, von der ich eingangs berichtet hatte, bot ich an, ihr einen Entschuldigungsbrief zu schreiben, mit dem sie ihre Verspätung rechtfertigen könne. Darauf kam eine sehr nette zweite Mail von der Dame. Und wieder einmal dachte ich: Wir haben die allerbeste Leserschaft, die man sich nur wünschen kann. Danke!

Timm Klotzek

Seit 2012 Chefredakteur des SZ-Magazins – gemeinsam mit Michael Ebert. Davor entwickelten die beiden für Gruner + Jahr NEON und NIDO. Auch beim SZ-Jugendmagazin jetzt arbeiteten sie zusammen.