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Die Vertrauensfrage

... an Medien stellt sich angesichts einer Vielzahl von Informationsquellen und Kanälen heute verstärkt. Antworten aus Sicht der empirischen Marktforschung.

Von Prof. Dr. Renate Köcher

Die Demokratie baut auf interessierte und gut informierte Bürger, die einen breiten Zugang zu Informationen haben und ihre Meinungsbildung soweit wie möglich auf belastbare Fakten stützen können. Heute stehen der Bevölkerung so viele Informationen und Informationsquellen zur Verfügung wie noch nie. Die Vermehrung des Informationsangebots führt jedoch keineswegs auto­matisch zu einem höheren Informationsstand in der Gesellschaft oder auch nur dem Gefühl, besser informiert zu sein. Zum einen hat sich das Informationsverhalten der Bevölkerung gravierend gewandelt – nicht nur in Bezug auf die genutzten Informationsquellen, sondern auch die Selektion von Informationen und Informationsgewohnheiten. Die regelmäßige „Informationsernährung“, bei der feste Zeitfenster im Alltag für Information reserviert werden, geht zurück; die impuls- und ereignis­getriebene Information gewinnt kontinuierlich an Bedeutung; es wird schärfer nach den eigenen Interessen selektiert und vieles nur oberflächlich über Headlines und Zusammen­fassungen rezipiert.

Gleichzeitig nährt die unübersichtliche Informationsfülle Misstrauen und Zweifel an der Verlässlichkeit von Informationen. Das gilt insbesondere für die Informationen, die aus dem Netz und speziell aus sozialen Netzwerken bezogen werden. 70 Pro­zent der Bevölkerung vertreten die Position, dass man bei Informationen im Netz besonders vorsichtig sein sollte, weil dort jeder schreiben kann, was er möchte. 61 Prozent sind überzeugt, dass viele Falschinformationen im Umlauf sind; diese Überzeugung hat sich in den letzten Jahren immer mehr ausgebreitet. 55 Prozent sind generell skeptisch gegenüber Informationen in sozialen Netzwerken; 53 Prozent halten Fake News für eine ernste Gefahr für die Demokratie.

Die Sorge, Falschinformationen ausgesetzt zu sein, greift teilweise auch das Vertrauen in Medien insgesamt an. Vor fünf Jahren zogen noch 61 Prozent der Bevölkerung die Bilanz, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern viele gute Medien gibt, über die man zuverlässig informiert wird, heute glaubt das nur noch knapp jeder Zweite. 41 Prozent tun sich oft schwer, die Zuverlässigkeit von Informationen und Informationsquellen einzuschätzen. Die zunehmende Komplexität trägt zu dieser Unsicherheit bei; die Mehrheit der Bevölkerung hat den Eindruck, dass die zunehmende Komplexität und viele Fake News es immer schwerer machen, belastbare Fakten von irreführenden Informationen zu unterscheiden.

Umso wichtiger sind Informationsquellen, die sich durch sorgfältige Recherchen auszeichnen, durch die Identifikation belastbarer Fakten und eine ausgewogene Berichterstattung, die auch unterschiedliche Positionen, Perspektiven und Bewertungen von Ereignissen und Fakten vermittelt. Wenn die Bevölkerung ein detailliertes Urteil abgibt, welche Informationsquellen aus ihrer Sicht vertrauenswürdig sind, ergibt sich ein völlig differenziertes Bild. So spricht die große Mehrheit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Rundfunk, der regionalen und überregionalen Tagespresse und spezialisierten Nachrichtensendern ihr Vertrauen aus, während nur kleine Minderheiten in sozialen Netzwerken, Internetforen oder über Twitter zuverlässige Informationen über politische Ereignisse und Entwicklungen erwarten.

Informationen im Netz wird am ehesten vertraut, wenn sie von etablierten Medienmarken stammen, mit denen die Bevölkerung offline bereits seit vielen Jahren Erfahrungen gesammelt hat, das heißt vor allem den Onlineangeboten von Zeitungen und teilweise auch von Fernseh- und Radiosendern. Etablierte Medienmarken sind ein Vertrauensanker; die Mehrheit der Bevölkerung hält es für ratsam, sich im Netz an Seiten etablierter Medien zu halten, um sich gegen Desinformation zu schützen.

Wie groß das Vertrauen in einzelne Medienmarken ist, belegt auch eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zur Einschätzung überregionaler Tages- und Wochenzeitungen. Sie sind der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung ein Begriff und werden in hohem Maße als seriöse und vertrauenswürdige Informationsquellen bewertet; dieses Urteil fällen 67 Prozent derjenigen, denen die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein Begriff ist, 62 Prozent in Bezug auf die Süddeutsche Zeitung, 59 Prozent in Bezug auf die Zeit. Auch Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik bewerten mit überwältigender Mehrheit insbesondere die beiden überregionalen Tageszeitungen F.A.Z. und SZ zusammengenommen als vertrauenswürdige Infor­mationsquellen. Während Medien und dem Informationsangebot insgesamt immer mehr Skepsis entgegenschlägt, genießen gleichzeitig einige etablierte Medienmarken, die viel in qualifizierten Journalismus investieren, außerordentlich großes Vertrauen.

 

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Prof. Dr. Renate Köcher

Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach